Wieso gibt es für diese Sache jetzt noch eine andere Gebärde, als die die ich gelernt habe???
Als Neuling in der Gebärdensprache wird man ziemlich schnell damit konfrontiert, dass es auch in der Gebärdensprache Dialekte gibt. Nur allzu verständlich ärgert man sich darüber warum die Gehörlosen sich nicht einfach auf ein „Hochdeutsch“ einigen können und gut ist. Somit wäre doch schließlich allen gedient. Ein Blick auf unsere hörende Kultur zeigt jedoch, dass Dialekte allgegenwärtig sind und teilweise sogar sehr schön sein können.
Ein kurzer Blick auf die Welt der Deutschen Dialekte zeigt, dass man im Deutschsprachigen Raum zwischen 50 verschiedenen Dialekten unterscheiden kann (Eine schöne Karte hierzu von Wikipedia). Im Vergleich zu Österreich oder der Schweiz wird in Deutschland allerdings (leider) immer weniger Mundart gesprochen. Das liegt zum einen am starken Einfluss hochdeutscher Medien und zum anderen an der gestiegenen Mobilität, wodurch sich viele Dialekte vermischen und verlieren. So wurden 13 deutsche Regionalsprachen, darunter auch Kölsch und Bairisch, von der Weltbildungsorganisation als vom Aussterben bedroht gemeldet.
Interessanterweise haben sich in manchen Bereichen Dialekte aber sehr wohl gehalten. Wer kennt nicht die zahlreichen Varianten für Brötchen-Weggli-Semmel-Schrippe-Rundstücke, und doch weiß man was gemeint ist. Irgendwie ist das doch auch schön wenn man in der Sprache noch ein Stück weit Variation und Lokalcharakter hat.
In der Gebärdensprache ist es ähnlich. Es gibt ja nicht für jede erdenkliche Gebärde zig Dialektformen. Während es für die Gebärde Frau oder für Wochentags- und Monatsnamen etliche Varianten gibt, haben viele andere Gebärden nur ein oder zwei weithin gebräuchliche Formen und die kennt man dann auch bald.
Statt Dialektgebärden also als zu bekämpfendes Übel zu betrachten, könnte man es doch auch als Bereicherung der Gehörlosenkultur und ihrer Vielfalt ansehen. Das Vorhandensein von Dialekten ist schließlich ein Merkmal was natürliche Sprachen von Kunstsprachen (z.B. Esperanto) unterscheidet.